„Wichtig ist hinschauen, ansprechen, informieren …“

Monika Chromy leitet die Suchtarbeit der Caritas. Die Klientenzahlen sind im vergangenen Jahr stark gestiegen. Das Vorarlberger Kirchenblatt führte mit ihr ein Interview über Ursachen, Wirkungen und Möglichkeiten zur Vorbeugung.

Die Suchtfachstelle der Caritas verzeichnete im vergangenen Jahr eine Zunahme von 25 Prozent bei den Klientenzahlen. Worauf führen Sie das zurück?  

Monika Chromy: Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Faktum ist, dass Alkoholismus weit verbreitet ist und große gesellschaftliche Schäden bewirkt. Es wäre jedoch nicht korrekt, die Zunahme unserer Klientinnenzahlen einfach nur mit der Zunahme von gesellschaftlichen Problemen zu erklären, obwohl dies sicherlich ein Thema ist. Der Bekanntheitsgrad der Suchtfachstellen ist – vielfach durch Mundpropaganda – gestiegen. Ein anderer Grund ist die Ausweitung unseres Angebotes. Uns freut es besonders, wenn wir Menschen bzw. Familien in Notlagen zu einer Verbesserung ihres Lebens helfen können.  

Wie können Sie Menschen, die Hilfe bei Ihnen suchen, unterstützen?  

Monika Chromy: Unsere Unterstützung reicht von der gemeinsamen Suche nach den Ursachen des problematischen Konsumverhaltens  bis zur Behebung der Folgen, seien es existentielle, rechtliche, familiäre oder gesundheitlicher Art.  

Sind es in erster Linie von Alkoholsucht betroffene Menschen, die Hilfe suchen oder eher deren Angehörige?  

Monika Chromy: Angehörige suchen zu einem geringeren Teil unsere Beratungsstellen auf. Sie sind meist einem enormen Leidensdruck ausgesetzt. Oft schämen sie sich für das Verhalten ihres Partners/Elternteils/Kindes und ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Suchtberatung und Suchtherapie zielen darauf ab, das Augenmerk weg vom abhängigen Menschen auf das eigene Leben zu lenken. Dadurch werden oft große Veränderungen – auch beim süchtigen Angehörigen – ausgelöst.  

Ist Alkohol am Arbeitsplatz ein großes Thema?  

Monika Chromy: Leider wird dieses Thema von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen oft spät erkannt bzw. angesprochen. Hier besteht eine große Unsicherheit. Es gibt aber Programme für Führungskräfte mit dem Ziel, MitarbeiterInnen mit problematischem Alkoholkonsum durch frühzeitige Interventionen Hilfe anzubieten, um die Arbeitsfähigkeiten zu erhalten.    

Ist übermäßiger Alkoholkonsum in erster Linie ein „männliches“ Problem?  

Monika Chromy: Tatsächlich kommen mehr betroffene Männer wegen Alkohol in die Suchtberatung. Die Sucht der Frauen ist oft unauffälliger, hier seien als Beispiele die Medikamentensucht oder Essstörungen genannt. Der Konsum von Alkohol oder anderen Substanzen passiert weniger in der Öffentlichkeit.  

Die Caritas motiviert Menschen mit Suchtproblemen auch zu „kontrolliertem Trinken“ als erster Schritt in eine positive Richtung. Was ist damit gemeint?  

Monika Chromy: Kontrolliertes Trinken ist ein klar strukturiertes Programm mit dem Ziel, eine zu Beginn der Beratung definierte Trinkreduktion zu erreichen. Oftmals verhindert das Ziel der Abstinenz von vornherein eine Veränderung, da dieses Ziel unvorstellbar und unerreichbar scheint. Eine Reduktion des Alkoholkonsums hingegen wirkt zunächst einfacher, obwohl dies mindestens gleich viel Disziplin wie die Abstinenz erfordert. Viele Menschen wählen schlussendlich doch ein Leben in Abstinenz.  

Wie kann ein Außenstehender/Verwandter einen Angehörigen mit Suchtproblematik motivieren, etwas gegen seine Sucht zu tun?  

Monika Chromy: Wichtig ist das Hinschauen, ansprechen und über Hilfsangebote informieren. Er/sie darf nicht die Erwartung haben, dass sofort entsprechende Schritte unternommen werden. Der Weg ist oft lang und mit Rückschlägen verbunden. Daher empfehle ich Nahestehenden, sich selbst auch Unterstützung in Form von Beratungsgesprächen zu holen, um Enttäuschungen aufgrund unrealistischer Erwartungen zu vermeiden.

Suchtfachstelle der Caritas Vorarlberg
Caritas-Center Reichsstraße 173
6800 Feldkirch
T 05522-200 1700