Aktuell: Verpflichtende Beschäftigung für Asylwerber*innen

Caritasdirektor Walter Schmolly zur Diskussion über eine Arbeitsverpflichtung für Asylwerber*innen:

Wie sehen Sie diese Überlegungen?
Walter Schmolly: Aufgrund der langen Tradition der Nachbarschaftshilfe und des derzeitigen Folgeprojektes leisten in Vorarlberg Asylwerber*innen bereits jetzt freiwillig und sinnvoll abgestimmt mit ihrer konkreten Lebenssituation viele Stunden gemeinnützige Tätigkeiten. Zwischen Jänner und Juli dieses Jahres waren es knapp 24.000 Stunden. Dass es nicht noch deutlich mehr sind, liegt nicht an den Asylwerber*innen, sondern an den fehlenden Einsatzmöglichkeiten, die im derzeitigen System zum Beispiel vom Land organisiert werden müssten. Folglich ist es sinnlos, über Formen der Verpflichtung nachzudenken. Es wäre hingegen sinnvoll, den gesetzlichen Rahmen zu erweitern, damit mehr freiwillige, geringfügig abgegoltene gemeinnützige Tätigkeiten für Asylwerber*innen möglich sind. Aktuell müssen immer Bund, Land oder Gemeinden zwischengeschaltet sein und es muss immer nachgewiesen werden, dass die Tätigkeit einer hilfsbedürftigen Person zugutekommt. Das zu ändern würde fraglos mehr Sinn machen, als über irgendwelche Verpflichtungen nachzudenken, die weder notwendig sind, noch Sinn machen und auch nicht funktionieren werden.

Wie wichtig ist eine Beschäftigung für Asylwerber? Und warum ist es wichtig?
Caritasdirektor Walter Schmolly: Beschäftigungsmöglichkeiten sind für Menschen während ihres Asylverfahrens grundsätzlich wichtig und von Vorteil: Beschäftigung gibt eine Tagesstruktur, ermöglicht Beziehungen, unterstützt beim Deutschlernen und wirkt damit stabilisierend und positiv in Richtung der Integration.
Damit Beschäftigung während dem Asylverfahren funktioniert und Sinn macht, braucht es aus der Erfahrung der Caritas aber klare Rahmenbedingungen: Beschäftigung muss

  1. abgestimmt sein auf die konkrete Situation: Beschäftigung muss beispielsweise Rücksicht nehmen auf Kinderbetreuungspflichten, gesundheitliche Einschränkungen und psychosoziale Belastungen aufgrund der Flucht. In einer längerfristigen Perspektive ist es oft auch sinnvoller dem Deutschlernen oder Qualifizierungsmaßnahmen den Vorzug zu geben.  
  2. sie muss der Freiwilligkeit unterliegen: Zwangsarbeit ist rechtlich ausgeschlossen, und es braucht diesen Zwang auch gar nicht. Die Bereitschaft der asylwerbenden Menschen, auch in Form einer gemeinnützigen Beschäftigung etwas in unserem Land beizutragen, ist aus unserer Erfahrung hinreichend gegeben.
  3. braucht es auch eine finanzielle Abgeltung: Aus unserer vieljährigen Erfahrung in der Organisation von Nachbarschaftshilfe und gemeinnütziger Beschäftigung wissen wir: Wer die Arbeit von einem geflüchteten Menschen in Anspruch nimmt, der seinen Lebensunterhalt in Vorarlberg mit 8,70 Euro am Tag bestreiten muss, will diesem auch eine kleine Entlohnung geben.