Großes Lob für innovatives Caritas-Projekt in Ecuador

Marion Burger, gebürtige Vorarlbergerin aus Lech ist eine der wesentlichen Gründerinnen der Einrichtung „Casa Maria Amor“, einem Haus für Mütter und Kinder, die vor familiärer Gewalt fliehen. Derzeit weilt sie auf Heimatbesuch.

Wenn sie an den 25. Oktober dieses Jahres denkt, kann sie von einem Freudentag berichten: Das neue Frauen- und Kinderhaus in der ecuadorianischen Stadt Cuenca  konnte offiziell eröffnet werden. Das Projekt wurde durch die Caritas Vorarlberg ermöglicht. „Die Kinder haben den neuen Spielplatz regelrecht gestürmt und können die Fertigstellung ihres Fußballplatzes kaum erwarten. Groß ist die Freude auch bei den Frauen, die nun durch größere Räumlichkeiten mehr Privatsphäre haben, auch Küche und Aufenthaltsräume bieten wesentlich mehr Platz.“

Nachdem das bisherige „Casa Maria Amor“, das übrigens vor knapp zehn Jahren eröffnet wurde, sprichwörtlich aus allen Nähten geplatzt ist, hat man sich zu diesem Neubau entschieden. „Mit Miriam Prikryl haben wir eine österreichische Architektin für die Planung und Umsetzung gewinnen können. Sie hat sich bereits im Vorfeld intensiv mit den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und den Bedingungen vor Ort befasst“, erzählt Marion Burger.

Hohe Standards

Als sehr innovativ und für Ecuador neu erweist sich die Tatsache, dass auf Bauökologie sehr viel Wert gelegt wurde: So wurden traditionelle Baustoffe, wie Lehm und Stroh mit einem modernen Design wiederbelebt. Warmwasser wird über eine Solaranlage erzeugt, ein Teil der benötigten Energie wird durch Photovoltaik gewonnen. Bezüglich Statik, Gebäudesicherheit, Brandschutz und ähnlichem habe man durch die Einbeziehung internationaler Fachleute fast westlichen Standard erreicht.  „Das Haus wurde unter anderem von Vertretern der UNHCR, dem Erzbischof der Region, dem zuständigen Ministerium, als auch von der Stadt Cuenca als Vorzeigemodell gelobt und soll als Grundlage für weitere, geplante Frauenhäuser gelten“, freut sich Marion Burger über eine sehr positive Resonanz.

Zudem ist das Projekt Sprachrohr für die Rechte der Frauen in Ecuador. Immer wieder können Interessierte aus anderen Ländern Südamerikas empfangen werden, die vom Knowhow profitieren und auch in ihren Heimatländern Frauenhäuser initiieren möchten.

Rückenwind aus Vorarlberg

Sehr viel zum Haus, für das die Diözese Cuenca das Grundstück zur Verfügung gestellt hat und dessen Träger die „Stiftung Maria Amor ist“, haben Menschen aus Vorarlberg beigetragen. Die Liste dabei ist fast unendlich lang, weiß Marion Burger. „So haben Vorarlberger Spenderinnen und Spender gemeinsam mit der Caritas den Bau ermöglicht, allein Gemeinde, Pfarre, Schule sowie die Lecher Bevölkerung haben bislang schon über 138.000 Euro an Spendengeldern zusammengetragen.“

Pfarrer Jodok Müller war mit einer Gruppe von Lecherinnen und Lechern bei der Eröffnung mit dabei. „Mir hat die Arbeit, die vor Ort geleistet wird, sehr stark imponiert. Es wurden geniale Ideen umgesetzt, insgesamt ist das Haus auch architektonisch sehr gelungen.“ Einige der Mitreisenden seien bei den Eröffnungsfeierlichkeiten zu Tränen gerührt gewesen, zeigt sich der Priester nach wie vor beeindruckt. „Schön war auch, dass die Unterstützer aus Vorarlberg nicht als Besserwisser aufgetreten sind, sondern ihr Knowhow eingebracht haben und gemeinsam mit Fachleuten aus Ecuador das Projekt entwickelt haben. Ich bin zwar mit einem Geschenk nach Ecuador gekommen, habe aber gleichzeitig die Geschenke der Dankbarkeit und Freude mit nach Hause mitgenommen.“

Freiwilligeneinsatz als Bereicherung

Mit viel Einsatz beteiligten sich auch Freiwillige aus Vorarlberg vor Ort am neuen „Casa Maria Amor“. Im Sommer 2012 war eine Gruppe mit 19 tatkräftigen Mitstreitern – vom Elektro-Installateur bis hin zum Architektur-Studenten - vor Ort, um die Grundmauern für das neue Haus aufzubauen, laufend sind Freiwillige aus Vorarlberg für sechs bis zwölf Monate in der pädagogischen Arbeit des Hauses Maria Amor tätig.

Einer dieser ehrenamtlichen Helfer ist Florian Hackenberg, Ofenbauer aus dem Bregenzerwald. Fast ein ganzes Jahr baute er vor Ort einen Lehmofen, vier Kachelöfen und einen Brotbackofen. „Es ist schön, wenn man sieht, dass man etwas ins Laufen bringt“, ist er rückblickend sehr dankbar, dass er diese Zeit erleben durfte. Diesen „Rückenwind“ aus ihrer Heimat schätzt Caritasmitarbeiterin Marion Burger sehr. „Fast so wichtig wie die Arbeit vor Ort ist es, die Völker miteinander zu verbinden.“


Gewalt ist nicht nur in Ecuador ein großes Thema

Die UN spricht davon, dass Gewalt gegen Frauen eine der größten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit ist. Schätzungen zufolge erfahren vier von zehn Frauen regelmäßig Gewalt, in Ecuador liegt diese Zahl mit sechs bis sieben von zehn Frauen noch wesentlich höher. Im „Casa Maria Amor“ finden die Frauen mit ihren Kindern Zuflucht, erhalten psychosoziale Betreuung und können den Samen für ihre Zukunft säen. Die Kinder können geschützt ihre Schulausbildung abschließen, die Frauen finden Arbeit im angeschlossenen Catering-Service, beziehungsweise in der Wäscherei.

Geplant ist künftig der Betrieb einer Landwirtschaft mit biologischen Produkten als drittes Standbein. Rund 100 Frauen mit 250 Kindern werden jährlich beherbergt, 50 finden in den Beschäftigungsprojekten Arbeit. Zudem suchen rund 200 Frauen jährlich Rat und Hilfe über das eingerichtete Nottelefon.


„Das Wichtigste ist, Zukunft zu schenken“

Da ist beispielsweise jene Mutter von sechs Kindern, die Gewaltausbrüche ihres Mannes einfach nicht mehr ertragen hat. Mit dem wenigen Geld, das sie hatte, kaufte sie ein Busticket für sie und ihre Kinder. Wohin war ihr egal, alles war besser als ihre Gegenwart. Der Zufall wollte es so, dass sie beim Busbahnhof in Cuenca ausgestiegen ist und mit einem hilfsbereiten Passanten ins Gespräch gekommen ist. Der hat sie dann ans „Casa Maria Amor“ verwiesen.

Zwischenzeitlich gehen alle Kinder zur Schule und die Frau arbeitet als leitende Köchin im Arbeitsprojekt. Einzig die Kontakte zu ihrer früheren Heimat musste sie abbrechen – zu groß wäre die Gefahr, dass sie ihr Mann aufspüren würde. Beispiele, wie dieses könnte Marion Burger unzählige erzählen. Das wichtigste in ihrer Arbeit ist ihr und ihrem Team, dass die Familien wieder eine Zukunft haben.